Historie
Der Verein Nassauischer Ärzte im Spiegel der Zeit; Arzt sein gestern und heute
Marie - Luise Crone
Wie in vielen Lebensbereichen so hat sich auch das Bild des Arztes tiefgreifend verändert. Diese Publikation anlässlich des 150-jährigen Bestehens des Vereins Nassauischer Ärzte im Jahr 2001 möchte diesen Wandel festhalten. Dabei kann es nicht Aufgabe einer Festschrift sein, die Geschichte der Medizin bzw. des Ärztestandes nachzuzeichnen. Der Blick sei vielmehr zum einen auf den Zeitabschnitt gerichtet, der die Rahmenbedingungen für die Vereinsgründung schuf, und zum anderen auf die seitdem vergangenen Jahre und mit ihren erzielten Fortschritten. Es steht außer Frage, dass dies nur in groben Zügen geschehen kann und dass sich der Blick auf die speziell nassauischen Verhältnisse fokussieren wird.
Die medizinische Ausgangsbasis zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Herzogtum Nassau
Vor über 150 Jahren kamen am 21. Mai 1851 zwölf Ärzte aus dem Gebiet des nassauischen Herzogtums in Limburg zusammen mit dem Wunsch nach längst bestehenden Vorgang der meisten Länder, zur Beförderung des wissenschaftlichen und geistischen Strebens, einen Verein zu gründen. Im Entwurf der Statuten des Vereins Nassauischer Ärzte, legten sie als Ziel in § 1 fest: Nassauische Aerzte bilden einen Verein: 1) zur wechselseitigen Belehrung durch Ideenaustausch, Mittheilungen von Beobachtungen und Erfahrungen und des Wissenswerthesten in der Heilkunde; 2) zur Erhaltung und Beförderung der Kollegialität, der Würde des Standes und der Ehre der Standesgenossen.
Ein Austausch von Beobachtungen und Erfahrungen war dringend geboten, denn bis dato gab es anders als heute noch keine Möglichkeit, sich durch Fachzeitschriften oder auf Kongressen weiterzubilden. Die Wirklichkeit sah eher desolat aus. Das Ansehen des Ärztestandes lag am Boden. Scharlatane und Quacksalber, wie der evangelische Pfarrer von Cramberg im Kirchenbuch notierte, hatten ihren Anteil an diesem Niedergang. Aber auch die bittere Armut, die den Besuch eines Arztes unbezahlbar machte, trug mit dazu bei, diesen Beruf nicht ins Auge zu fassen. So starb man denn an Frost u. Hitze mit Seitenstechen ohne Arzt“.
Ärztealltag zu Beginn des 19. Jahrhunderts bedeutete oftmals Ohnmacht gegenüber der Unwissenheit bezüglich der Ursachen der nicht enden wollenden Epidemien, die immer wieder Europa heimsuchten. Die Pest des Mittelalters hieß im 19. Jahrhundert und noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts Cholera und stand in ihrer verheerenden Auswirkung der mittelalterlichen Plage nicht nach. Noch 1892 starben in Hamburg mehr als 8.000 Menschen an dieser Infektionskrankheit und dies obwohl der deutsche Arzt und Bakteriologe Robert Koch 1883 den Cholera-Erreger, das Bakterium Vibrio cholerae, entdeckt hatte. Nach Angaben von 1998 erkranken jährlich etwa fünf Millionen Menschen an Cholera, 200.000 Menschen sterben daran.
Aber nicht nur die Cholera, auch Diphtherie, Fleckfieber, Tuberkulose, Grippe, Ruhr und Typhus rafften die meist mittellose und als Folge davon äußerst schlecht ernährte Bevölkerung dahin. Addiert man zu diesen medizinischen Katastrophen, die zum Alltagsleben gehörende hohe Kindersterblichkeit, das Kindbettfieber und altersbedingte Erkrankungen hinzu, dann wird deutlich, dass der Beruf des Arztes keineswegs in Ansehen stand, noch erstrebenswert erschien. Eine jüngste Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach belegt, dass trotz Abrechnungsskandalen und Kunstfehlern Ärzte in Deutschland mit 74 % das höchste Ansehen in der Bevölkerung genießen, wenngleich gegenüber 1995 ein leichter Rückgang (81 %) zu vermerken ist.
Die große Hilflosigkeit, mit der man sich noch im 19. Jahrhundert Krankheiten ausgesetzt sah, sei an Beispielen aus dem damaligen nassauischen Amt Montabaur veranschaulicht.
Am 20. Februar 1808 sah sich Pfarrer Heinrich Hannappel von Wirges (1796 - 1837) im Westerwald gezwungen dem Amt Montabaur anzuzeigen, daß ungewöhnlich viele Leute in diesiger Pfarrei verstürben, daher die weitere Anzeige bey Amte zu machen seyn. Lizentiat Roesgen verfügte daraufhin sofort, daß Herr Amts Physikus Höpp sich umgesaumt zur nöthigen Untersuchung und Anordnung nach Wirges zu begeben habe. Ein beigefügtes Verzeichnis dokumentierte die rapide Zunahme der Sterbefälle innerhalb von fünf Wochen. Danach waren im Februar 16 Erwachsene und 7 Kinder verstorben und ihre Zahl sollte im März noch weiter ansteigen auf 23 Erwachsene und 8 Kinder . Besonders brisant war die Lage Mitte März, als innerhalb von zwei Tagen (vom 15. bis 17. März) 13 Tote gezählt wurden, darunter auch ein nassau-weilburgischer Soldat (militia Nassoviae Weilburgensis).
Den dramatischen Verlauf der Krankheit schildert Lizentiat Roesgen aus Montabaur der herzoglichen Regierung in Wiesbaden: Seit etwa fünf Wochen sind nach eingegangenen Nachrichten allein in dem hiesigen Raum Wirges fünfundsechzig Leichen gezählt worden und erntet die Krankheit daselbst noch diesen Augenblick so sehr, daß gestern in der einzigen Pfarre Wirges neun Leichen zugleich zu Grabe getragen wurden.
Soweit die durch die Sage verbreiteten Sympthome den profanen urteilen lassen, herrschet in diesem Raum eine der bösartigsten faulen flecken Fieberepedemien, aber auch mit einem äußerst kurzem, zwischen dem Anfall und Tode kaum 48 Stunden währenden Prozeße.
Von Amts wegen wurde alles getan, die Seuche in den Griff zu bekommen. So suchte Amtmann Linz den allgemeinen Gebrauch von Medikamenten endlich zu erzwingen, und das Übel zu stillen, indem einsweilen auf 14 Tage die medizinische Hilfe ohne Nachsuchung/ der eigenen Zahlhaftigkeit auf allgemeine Amtskosten geleistet werden würde; allein aus BauernUnverstand und Eigensinn wurden die wircklich verfertigte Medizin ... zum Theil nicht eingenommen, ich gienge hiernach noch weiter, und verfügte unterm 20ten dieses ... daß den Reconvaleszenten auch ... Kalbfleisch und Wein, auch hier und dort den Nothleidenen etwas an Ladenbrod nach Anweisung des Herrn Amts Physikus Höpp auf 14 Tage verabreicht werden solle, weil dieser auch versicherte alsdann binnen 14 Tägen das Übel zu stillen. Linz räumte jedoch seine Bedenken ein, ob durch die Verteilung von Lebensmittel letztlich Medizin eingespart werden könne. Dieses müsse sich noch herausstellen.
Nur sechs Jahr später wurde die gleiche Gegend neuerlich von einer Typhus-Epidemie heimgesucht, eingeschleppt wie in vielen anderen deutschen Bundesstaaten von den durchziehenden Truppen, feindliche wie verbündete. Die Schulchronik des Westerwalddorfes Holler hält fest: Nach dem Abmarsch dieser Truppen nach/ Frankreich im Jenner 1814 erhob sich in hiesigem Orte das Nervenfieber, wovon bis Ende Mai l. Jrs. 40 Menschen, theils große theils kleinen (!) starben, und wie oben ... angegeben wurde, der Lehrer Pehl mit seiner Frau selbst im Monat April ein Raub dieser Krankheit ward; daher dann in dem ganzen WinterCurs die Schule ausgesetzt war (!).
Aber auch in Friedenszeiten blieben Massenerkrankungen eine Hauptbedrohung für die Bevölkerung. So lesen wir in der Schulchronik von Wirges für 1826: In den Monaten Januar und Februar l. J. herrschte in dieser Gegend eine allgemeine Kinderkrankheit, welche in einer Hauptausschlage verbundenen Halsentzündung, mit dem Namen Scharlachfieber benannt, bestand. Viele Schüler aus der 1ten und 2ten Schule wurden nicht nur mit diesem Fieber behaftet, sondern fünf derselben aus der unteren Schule wurden leider ein Opfer derselben.
Medizianalrat Johann Ignatz Travers aus Montabaur beschrieb in einem Rundschreiben das Krankheitsbild: Das Scharlachfieber ist nächst den Menschenblattern eine der gefährlichsten Kinder-Krankheit. Es befällt besonders die Kinder, doch eben auch erwachsene und zwar letztere mit mehr Gefahr. Die Kinder sind im Anfange der Krankheit traurig, verlieren die Eßlust, können nicht mehr außer Bett sein, und klagen/ über Beschwerden beim Schlingen. Am 2te 3te u. 4te Tag erscheint ein rother Scharlach ähnlicher Ausschlag entweder über dem ganzen Körper oder über Gesicht und Brust mit mehr oder minder heftiger Hitze. Die Entzündung steigt auf das Höchste, geht in Brand über und tödet schon hierdurch. Unter unerlöschlichem Durste, Unruhe, Hitze und Fieber dauert der Ausschlag 3 bis 4 Tage und vergeht bei gutem Hergang, wonach sich die Haut abschuppet. Allein jetzt ist die Krankheit noch nicht vorüber, sondern die Kinder fiebern fort. Die neu gebildete obere Haut ist sehr empfindlich gegen jede Luft auf dem Krankenzimmer; Daher, wenn das Kind in dieser Periode der Krankheit zum geöffneten Fenster hinaus sieht, gefährlich. ....
Nach 1808, 1814 und 1826 findet sich für 1837 wieder ein Hinweis in der Schulchronik von Wirges, die auf eine größere Krankheitswelle hinweist: Im Monat Februar herrschte fast in ganz Europa die sogenannte Grippe (Influenza) und am Ende dieses Monats wurde auch unsere Jugend von derselben heimgesucht. Obschon diese Krankheit nicht bösartig und gefährlich war, so hat sie doch ziemliche Menschen, besonders gebrechliche und alte in das Grab gebracht. In manchen Tagen hatten wir im Kirchspiel 3-4 auch 5 Leichen und in einem Zeitraum von drei Wochen fanden bis 24 Beerdigungen statt. Kopfweh, Husten, Frost besonders Gliederschwäche waren mit dieser Krankheit verbunden und fast kein Mensch blieb von derselben verschont; jedoch zeigte sie sich bei einem in einem geringeren, bei einem andern im größeren Grade und auch in kürzerer und längerer Dauer an. In manchen Ländern in England besonders hat die Krankheit sich sehr bösartig gezeigt und viele tausend Menschen dahingerafft.
Was hier für einen Zeitraum von knapp 30 Jahren für zwei in der Nähe von Montabaur gelegene Dörfer geschildert wurde, hat sich im Herzogtum Nassau, in den Ländern des deutschen Reiches, in Europa x-fach multipliziert wiederholt.
So schicksalsschwer und bedrückend diese Berichte auch heute noch zu lesen sind und die große Verzweifelung von Kranken, ihrer Familienangehörigen und des behandelnden Arztes widerspiegeln, sie tragen dennoch den Keim eines Umdenkens in sich. Die ausführlich zitierten Beispiele dokumentieren das langsam einsetzende Umdenken im Umgang mit dem Phänomen Krankheit. Zwar spürt man noch die sich dem Schicksal ergebende und unabwendbare Haltung, letztlich auch noch die unsichere Haltung von Arzt und Behörden. Aber der Aufbruch kündigt sich an. Der Arzt beginnt, das Krankheitsbild beschreibend festzuhalten und zu analysieren. Johann Ignaz Travers, seit 1822 Medizinalrat in Montabaur, gehörte jener Institution an, mit der Nassaus Herzog 1818 eine grundlegende Erneuerung des Gesundheitswesens in seinem Herzogtum geschaffen hatte und das öffentliche Gesundheitswesen - Stichwort: Hygiene - in den Vordergrund stellte.
Die neu gegründeten Medizinalbezirke sind Keimzellen zu jenem neuen Arzttyp, den das 19. Jahrhundert in seiner Sorge um das öffentliche Gesundheitswesen hervorgebracht hat: der Mediziner, der mehr oder weniger theoretisch - wissenschaftlich am Schreibtisch tätig ist, der nicht mehr den einzelnen Patienten, sondern die Gesundheit und Vorsorge vor Epidemien einer größeren Volksgruppe im Blick hat.
Das nassauische Medizinalwesen von 1818
Als das nassauische Haus zu Beginn des 19. Jahrhunderts über das Gebiet, das ab 1806 als Herzogtum Nassau in die Geschichte einging, seine Herrschaft antrat, stand es, wie die angeführten Beispiele veranschaulicht haben, mit der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung nicht zum Besten. Das untergegangene feudale Reich hatte es überwiegend dem einzelnen Untertanen überlassen, ob er bei einer ernsten Erkrankung einen Arzt konsultierte oder nicht. Dies war letztlich eine Frage des Geldbeutels.
Hinzu kam, dass es an approbierten Ärzten mangelte. Besonders schlecht war die Situation der Landbevölkerung. Nicht jeder, der Kranke versorgte, war ein approbierter Arzt oder Chirurg. Bader oder auch Pfuscher nahmen sich der Leidenden an. Diese Bestandsaufnahme darf aber keineswegs dahingehend gedeutet werden, als ob in Nassau besonders gravierende Mängel geherrscht hätten. Das Herzogtum teilte seine Nöte im Gesundheitswesen mit den übrigen deutschen Staaten. Es bestand generell ein Mangel an approbierten Ärzten, es gab Schwierigkeiten auf Grund der Trennung zwischen Chirurgie und Medizin und in der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung, sowie Not im Ärztestand selbst.
Hier nun suchte die nassauische Regierung eine grundlegende Änderung mit ihrer Reform des Medizinalwesens zu schaffen. Mit dem Edikt vom März 1818 sollte „jedem Einwohner des Landes eine billige und nicht zu entfernte ärztliche Hilfe zu verschaffen“ sein.
Das Herzogtum Nassau „umfaßte 85,5 Quadratmeilen Land. Der größte Teil der Bevölkerung, ungefähr drei Viertel, war auf dem platten Lande verteilt, und nur der Rest wohnte in Städten und Städtchen. Die Mehrzahl der Dörfer hatte nur 50 - 80 Einwohner. Es gab auch einige wenige mit 800 - 1000 Einwohnern. Man rechnete 1186 Höfe und Mühlen, 807 Dörfer, 27 Flecken, 30 Städte, von denen nur Wiesbaden über 6000 Einwohner aufwies. Die Bevölkerung betrug im Jahr 1818 genau 303 769 Einwohner und stieg bis zum Jahre 1866 auf 465 636 Einwohner.“
Vor Erlass der Medizinalverordnung von 1818 gab es im Herzogtum Nassau 102 Medizinalpersonen:
58 im Staatsdienst Besoldete (27 Ärzte, 30 Chirurgen, 1 Tierarzt)
44 nicht Besoldete (21 Bader, 11 Medizinalassistenten, 4 praktische Ärzte, 5 praktische Chirurgen, 3 Medizinalräte).
Um eine flächendeckende ärztliche Versorgung der Bevölkerung sichern zu können, sollten die kurz zuvor neu geschaffenen 28 Ämter ab 1. April auch einen eigenen Medizinalbezirk bilden. In jedem Medizinalbezirk sollte nach dem Willen Herzog Wilhelms „ein Medizinal-Rath, ein Medizinal-Assistent und ein Apotheker von Uns angestellt werden“ und „wo möglich in jeder nach der Gemeinde-Verwaltungs-Ordnung vom 5. Juni 1816 neu gebildeten Gemeinde wenigstens eine“ Hebamme. Sie wurden namentlich im Anschluss an das Edikt in den Dienstnachrichten bekannt gegeben. Danach waren 26 Medizinalräte und 27 Medizinalassistenten ernannt worden. „Es blieben für die freie Praxis, 10 praktische Aerzte, 17 praktische Chirurgen und 21 Bader übrig; dazu kamen 6 Tierärzte“.
1 Amt Braubach: Medicinalrath Armack
2 Amt Diez: Medicinalrath Geiger
Medicinalassistent Meister (von Neuenhain)
Apotheker Wuth
3 Amt Dillenburg: Medicinalrath Hofmann
Medicinalassistent Schmidt
Apotheker Aust
4 Amt Eltville: Medicinalrath Windt (von Emmerichenhain)
Medicinalassistent Jordan
Apotheker de l’Haye
5 Amt Hachenburg: Medicinalrath Vogler
Medicinalassistent Müller (von Hochheim)
6 Amt Hadamar: Medicinalrath Wilhelm
Medicinalassistent Jung
Apotheker Hergt
7 Amt Herborn: Medicinalrath Fritze
Medicinalassistent Schmidt (von Montabaur)
Apotheker Rittershausen
8 Amt Höchst: Medicinalrath Cramer
Medicinalassistent Wolf
Apotheker Hille
9 Amt Hochheim: Medicinalrath Wendelstädt (von Ennerich)
Medicinalassistent Jöckel (von Höchst)
Apotheker Schwärzel
10 Amt Idstein: Medicinalrath Vitriarius
Medicinalassistent Kraus
Apotheker Herbst
11 Amt Königstein: Medicinalrath Küster (von Eltville)
Medicinalassistent Bleumortier
Apotheker Neubronner (von Kronberg)
12 Amt Limburg: Medicinalrath Rückel
Medicinalassistent Hilt (von Soden)
Apotheker Wolf
13 Amt Marienberg: Medicinalrath (mit Rennerod verbunden)
Medicinalassistent Korb ( von Wiesbaden)
Apotheker Kuchenbäcker
14 Amt Meudt (mit den Wohnsitzen in Wallmerod):
Medicinalrath Travers (von Rüdesheim)
Medicinalassistent Phildius (von Epstein)
Apotheker Burmann (von Dillenburg)
15 Amt Montabaur: Medicinalrath Fach (von Königstein)
Medicinalassistent Phildius (von Oberursel)
Apotheker Jacobi
16 Amt Nassau: Medicinalrath Thilenius
Medicinalassistent Döring Junior (von Herborn)
17 Amt Nastätten: Medicinalrath Herber
Medicinalassistent Metzen
18 Amt Rennerod: Medicinalrath Kissel
Medicinalassistent Lucas
Apotheker Wehsarg
19 Amt Rüdesheim: Medicinalrath Coels
Medicinalassistent Krancher
Apotheker Kölges (von Rüdesheim)
20 Amt Runkel: Medicinalrath Kraft
Medicinalassistent Hoppe
21 Amt St. Goarshausen: Medicinalrath Mylius (von Lahr im Breisgau)
Medicinalassistent Dr. Hempel
Apotheker Simon
22 Amt Schwalbach: Medicinalrath Stritter (von Kirberg)
Medicinalassistent Wagner
23 Amt Selters: Medicinalrath Berchelmann (von Wallau)
Medicinalassistent Wilhelm
Apotheker Leers (von Herborn)
24 Amt Usingen: Medicinalrath Bausch
Medicinalassistent Hammes (von Nassau)
Apotheker de Beauclair
25 Amt Wehen: Medicinalrath (mit Schwalbach verbunden)
Medicinalassistent Hämmerlein
Apotheker (mit Schwalbach verbunden)
26 Amt Weilburg: Medicinalrath Huthsteiner
Medicinalassistent Stritter
27 Wiesbaden Stadt: Medicinalrath Peetz
Medicinalassistent Kraft
Apotheker Lade
28 Amt Wiesbaden: Medicinalrath Rullmann
Medicinalassistent (mit Stadt Wiesbaden verbunden)
Apotheker Müller
1866 zählte das Herzogtum insgesamt 100 angestellte und 30 frei praktizierende Ärzte, so dass bei einer Einwohnerzahl von 465.000 auf ca. 3.580 Einwohner ein Arzt kam. Ein Vergleich zu heutigen Verhältnissen ist schwerlich zu ziehen. Die Berechnung des Versorgungsgrades für den Kreis Limburg - Weilburg betrug am 23. August 2000 auf einen Allgemeinmediziner 1.971 Patienten. Anästhesisten, Chirurgen, Internisten, Orthopäden, Radiologen, Urologen, Augen-, Frauen-, HNO- und Hautärzte sind hierbei nicht eingerechnet. Bereits diese Aufzählung an Fachärzten zeigt die explosionsartige Entwicklung in Fachrichtungen in den vergangenen 150 Jahren.
Das Nassauische Medizinalwesen ließ seit 1818 nur noch wissenschaftlich ausgebildete Ärzte zu, keine einfachen Chirurgen mehr. Die nassauische Regierung verzichtete auf den Doktortitel bei ihren Ärzten, da der Wert des an vielen Universitäten käuflichen Titels gesunken war. Dagegen behielt sie aber das ärztliche Prüfungswesen fest in ihrer Hand.
Die als Medizinalrat Titulierten übten in der Regel nur teilweise die Funktion eines Amtsarztes aus und waren eher praktischer Arzt. Als Amtsarzt oblag ihnen die Seuchenbekämpfung, die Lebensmittelpolizei, die Beaufsichtigung der Hospitäler und Waisenhäuser. Außerdem sollte dafür Sorge getragen werden, dass „Straßen und Wege in und um Städte und Dörfer von Gegenständen, welche die Luft verpesten, rein gehalten werden und Sümpfe und Moräste in der Nähe von Wohnsiedlungen ausgetrocknet werden“.
Die Regierung legte auch die Honorare ihrer Amtsärzte fest. Die Medicinal-Räthe waren im Rang Unseren Beamten gleichgestellt, die Medical-Assistenten und Apotheker werden mit den Amts-Secretären in gleichen Dienstrang gestellt. ... Die Normalsumme des Dienst-Einkommens der Medicinal-Räthe wird als Minimum auf 1200 fl. und als Maximum auf 1500 fl., das Minimum für die Medicial-Assistenenten auf 600 fl. und das Maximum auf 1000 fl. jährlich festgesetzt“.
Für die Haltung eines Dienst-Pferdes konnten jährlich 150 fl. für Pferds-Fourage in vierteljährigen Raten bezogen werden. Damit sollte sichergestellt werden, dass auch einem Kranken in entlegeneren Gebieten eine sichere medizinische Versorgung zuteil würde.
Als ausgesprochen fortschrittlich galt die 'Krankenversicherung', die auf dem Solidaritätsprinzip basierte. So wurden die Dienstgehälter der Medizinalräte und Medizinalassistenten zur Hälfte, die der Medizinalaccessisten ganz vom Staat übernommen. Der Differenzbetrag wurde von den Gemeinden erhoben, die diesen wiederum von ihren Bürgern in einer entsprechender Abgabe eintrieb. Im Zuge der Reformen von 1848 war es der Wunsch der Ärzteschaft, die Landessteuerkasse möge die Gesamtbezahlung übernehmen, da sich die Gemeinden oft in schlechten Vermögensverhältnissen befanden.
Eine durchschnittlich begüterte Familie mit zwei Kindern zahlte um 1860 jährlich 56 Kreuzer, Kleinbauern, Tagelöhner und die Mehrzahl der Bevölkerung 20 Kreuzer. Hinzu kamen die Arztgebühren, die bei einer Behandlung anfielen. Diese errechtete Medizinalrat Dr. Fritze für den Dienstbezirk Camberg im Jahre 1850 auf ungefähr 1 Florin 40 Kreuzer, die 56 Kreuzer jährliche Abgabe einbegriffen. Dies sei - nach Dr. Fritze - eher bescheiden, denn in Preußen betrugen die Kosten zur gleichen Zeit für gleiche Dienstleistungen das Fünf- bis Zehnfache. Erst die Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung von 1883 sollte eine grundlegende Änderung schaffen.
Die Situation 1851
Im Zuge der Revolution von 1848 mehrten sich Vereinsgründungen. Das erstrittene Recht auf freie Vereinigung spiegelt sich in vielen Gründungen besonders von Turnvereinen wieder. Das nassauische Medizinalwesen blieb 1848 allerdings frei von Kritik. Der Reformwunsch der Ärzte zielte auch nicht auf die Höhe ihres Gehalts, sondern auf den Auszahlungsmodus, wie oben bereits angesprochen. Die Gründung des Vereins Nassauischer Ärzte drei Jahre später ist daher nicht als eine kritische Anmerkung anzusehen. Sie ging vielmehr auf die verstärkten Bemühungen um eine Standesorganisation zurück.
Werfen wir einen Blick auf die medizinische Situation der Stadt, in der die Vereinsgründung stattfand. Limburg hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts keine befriedigende Krankenversorgung mehr. Das alte ehemalige Wilhelmitenkloster konnte seinen Dienst kaum noch wahrnehmen. Auf die gemeinsamen Bemühungen der Gebrüder Busch, Dr. Anton Busch (3.9.1797 - 10.8.1861), praktizierende Arzt in Limburg, und seines Bruders Carl Busch (2.7.1788 - 2.1.1857), Geheimer Regierungsrat in Wiesbaden, sowie des Einsatzes von Stadtpfarrer Dr. Johann Baptist Diehl (1849 - 1857) ging die Eröffnung des St. Vincenz - Krankenhauses am 25. Oktober 1850 auf dem Roßmarkt zurück.
Nicht viel besser sah es um Limburg herum aus. In Camberg wurde Moritz Lieber (1790-1860), dessen Frau 1853 schwer erkrankt war, auf die 1851 gegründete Genossenschaft der Armen Dienstmägde Jesu Christi in Dernbach aufmerksam und erbat eine Schwester zur Pflege. Die Eheleute waren so angetan, dass sie gemeinsam mit Freiherrn von Schütz - Holzhausen die erste Filiale der Schwestern initiierten. Mit ausdrücklicher bischöflicher Genehmigung wurde diese von zwei Schwestern am 8. August 1854 gegründet. 1861 erfolgte der Umzug in das neu erbaute Lieber'sche Hospital. Die Stiftungsurkunde sah vor, dass ein Verwandter aus der Stifterfamilie die Stelle des Hospitalarztes beanspruchen konnte. Dies tat Gisbert Fluck, Urenkel des Stifters und Vorsitzender des Vereins Nassauischer Ärzte, nachdem er sich am 1. Januar 1892 als praktischer Arzt im Elternhaus in Camberg niedergelassen hatte.
Auch in Hadamar verlief die Entwicklung zu einem Krankenhaus über die Dernbacher Schwestern. Anfang Juli 1856 kamen die ersten beiden Schwestern, die während der zweiten Jahreshälfte bereits 17 Kranke in ihrem Hospital pflegten. Damit war der Grundstein für die stationäre wie auch die ambulante Krankenpflege gelegt.
Die Ärzteschaft im nassauischen Raum sollte mit diesem Orden in ein ganz besonderes Verhältnis der Zusammenarbeit treten. Der geschichtliche Zufall will es, dass der Verein Nassauischer Ärzte zeitgleich mit der Ordensgründung der Armen Dienstmägde Jesu Christi (15. August 1851) sein 150 jähriges Jubiläum begeht.
Die Vereinsgründung
Für den 21. Mai 1851 hatte Dr. Spengler aus Herborn die nassauischen Ärzte in den inländischen Zeitungen nach Limburg eingeladen. Hier wollte man anderen deutschen Ländern gleichziehend einen Ärzteverein zur Beförderung des wissenschaftlichen und geistischen Strebens gründen.
Der Einladung folgten zwölf namentlich aufgeführte Ärzte:
Medicinal-Assistent Dr. Gräser, Montabaur
Medicinal-Accessist Dr. Großmann, Hofheim
Medicinal-Rath Dr. von Ibell, Ems
Medicinal-Assistent Dr. Lange, Lahnstein
Medicinal-Accessist Dr. Menges, Weilburg
Medicinal-Accessist Dr. Nörtershäuser, Selters
Medicinal-Accessist Dr. Panthel, Limburg
Hofrat Dr. Spengler, Herborn
Medicinal-Accessist Dr. Trägel, Wehen
Hofrath Dr. Vogler, Diez
Medicinal-Assistent Dr. Weber, Weilmünster
Medicinal-Accessist Dr. Wuth, Obertiefenbach
Die Gründungsmitglieder verteilen sich - vom Rheingau abgesehen - fast über das gesamte Herzogtum, so dass davon auszugehen ist, dass alle gleichwohl informiert gewesen waren. Dennoch zeigt sich ein deutliches Übergewicht an jungen Ärzten, so als hätten die älteren, etablierteren dem neuen Unterfangen eher skeptisch gegenüber gestanden.
Der schlechten Resonanz dennoch bewusst suchte man diese zu entschuldigen: “und wenn auch manche der Herrn Collgenen durch das sehr schlechte Wetter, andere durch Krankheit verhindert waren, so schien doch ein gewisses Missverständniss, durch die verschiedenen Artikel in den politischen Zeitungen Nassau’s hervorgerufen, als Hauptursache des Ausbleibens angesehen werden zu müssen.
Die Erschienenen ließen sich dennoch nicht von ihrem Vorhaben abbringen und wählten zu ihrem ersten provisorischen Vorstand „1. Dr. H. Vogler zu Diez, 2. Dr. L. Spengler zu Herborn, 3. Dr. C. Graeser zu Montabaur“.
In seinem Schreiben an das Nassauische Staatsministerium, Abteilung des Inneren, berichtete Dr. Vogler über die Gründung und fügte an „Obgleich der Verein noch nicht fest begründet ist, daher noch nicht in dem Fall ist, etwaige Korporationsrechte nach zu suchen, so säumen/ wir nicht die provisorischen Statuten hoher Stelle zur Einsicht und Prüfung gehorsamst vor zu legen“. Die Regierung in Wiesbaden reagierte allerdings auf dieses Schreiben nicht. Diese unentschlossene Haltung legte Dr. Hermann Vogler in einem geschickten Schachzug als Zustimmung aus: Da uns von Seiten der Hohen Staatsbehörde keine Misbilligung dieses Vorhabens geäußert wurde, so glaubten wir vielmehr darin eine stillschweigende Gutheißung u. Billigung der von dem Verein beabsichtigen Zwecke erkennen zu dürfen. Hierauf wurde nun, in einer am 15. Octbr. l.J. zu Limburg zusammengekommenen Gen. Versammlung, die definitive Constituierung des Vereins und Revision der provisorischen Statuten vorgenommen. Beigefügt waren die handschriftlich abgefassten Statuten und eine namentliche Aufstellung von inzwischen 48 Vereinsmitgliedern. Dabei war man an diesem Gründungstag keineswegs so überzeugend aufgetreten, wie das Schreiben vermuten lässt. Denn wiederum war die Resonanz unter den nassauische Ärzten gering. 20 Teilnehmer hatten sich eingefunden und 27 weitere hatten ihren Beitritt erklärt.
Die Nassauische Regierung erteilte am 1. Dezember 1851 ihre Genehmigung.
Der Verein
Die Gründung des Nassauischen Ärztevereins im Jahre 1851 war mehr als überfällig. Bereits 1845 hatte sich ein ärztlicher Verein in Frankfurt gegründet. Im Herzogtum Nassau waren die Verhältnisse für die Ärzte ungünstiger, denn es gab - von den Badeärzten abgesehen - kaum frei praktizierende Ärzte. Der Arzt war in der Regel Staatsbeamter, der zunächst als Medicinal–Accessist, später als Medizinal-Assistent endlich als Medizinalrat in die Reihe der herzoglichen Staatsbeamten (mit entsprechender Bezahlung und Pensionierung) aufsteigen konnte. Dieses Faktum mag auch ein Grund für die schlechte Resonanz an der Gründung des Vereins gewesen sein.
Angesichts der geographischen Entfernung und der schlechten Verkehrsverhältnisse (die Lahnbahn wurde 1860 gebaut) war ein regelmäßiges Zusammenkommen der Mitglieder von Beginn an problematisch. Daher unterteilte man das Vereinsgebiet in sieben Sektionen. Eine jede Sektion umfasste jeweils drei bis sechs Ämter (entsprechend den 27 Ämter des Herzogtums). Die Mitglieder einer jeden Sektion sollten sich mit den Nachbarsektionen austauschen und ihre Protokolle dem Gesamtverein zugänglich machen. Dennoch litt der Verein an dem geringen Besuch seiner Versammlungen seitens der Mitglieder. Nicht nur die bereits angesprochene ungünstige Verkehrslage wurde hierfür verantwortlich gemacht, auch der häufige Wechsel in höheren Stellungen verhinderte eine persönliche Prägung durch einen Sektionsleiter. Dieser Mangel war so gravierend, dass in der Generalversammlung 1857 die Frage aufgeworfen wurde, ob der Verein und das „Correspondenzblatt“ überhaupt fortbestehen sollten. Eine Lösung sah man in der Komprimierung der Sektionen auf vier.
Wie in vielen Gruppierungen gab es einzelne Personen, die sich besonders engagierten. Vorträge und Berichte der Ärzte wurden im „Correspondenzblatt“ publiziert. Auch die alltäglichen Sorgen wurden angesprochen, u. a. der Tatbestand, dass ein reicher, wenn auch entfernt wohnender Bauer Medizinalrat Ricker von Eltville den Betrag seines Besuches mit dem Klee verrechnete, den das Pferd während der Konsultation verzehrte. Die Erörterung der Gehälter wurde des öfteren gar so heftig geführt, dass die Regierung dem Verein mit der Auflösung drohte.
Dem Gründungszweck „Mittheilungen von Beobachtungen und Erfahrungen und des Wissenswerthesten in der Heilkunde“ kam man eifrigst nach. Bereits seit 1843 (Band I) wurden in den „Medicinischen Jahrbücher für das Herzogthum Nassau“ zusammenfassende Darstellungen über den „Allgemeinen Krankheitszustand von 1818-1830“, „Unglücksfälle“, Das Auftreten von „Wechselfieber 1818-1842“ abgedruckt und tabellarische Auswertungen veröffentlicht. Die Landesregierung, in deren Auftrag die Jahrbücher erschienen, legte Wert auf die Fortbildung ihres Gesundheitswesens und eine stetige Weiterbildung ihrer Ärzte, so erklärt sich die für die Zeit bereits hohe wissenschaftliche Form der Artikel. In den Bänden 19/ 20 des Jahres 1863 wurden Beiträge zur Geschichte der Epidemien im nassauischen Raum beschreibend dargestellt und erste Auswertungen für den Zeitraum von 1857 bis 1859 versucht. Noch immer wurde die Bevölkerung heimgesucht von Cholera, epidemischen Katarrhafieber, Influenza, Fieber, Wechselfieber und Typhus. Hier seien besonders die Berichte von Dr. Johann Baptist von Franque, Herausgeber der Jahrbücher und Obermedinicalrath und Vorsitzender des Midicinalcollegiums im Ministerium des Innern, erwähnt. Auch Medicinalrath Dr. Peter Thewalt aus Limburg publizierte „Resultate der operativen Geburtshilfe im Herzogtum Nassau vom Jahre 1821 bis Ende 1842“ (6/ 1847).
1855 erschien eine „Statistik der Lebens- und Gesundheits - Verhältnisse in Nassau im Allgemeinen und derjenigen Aerzte im Besonderen von Dr. Peter Menges“, eines Gründungsmitgliedes des Vereins. Mit der Vorgabe, dass den „mächtigsten Einfluss auf die Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung“ die äusseren Lebensverhältnisse haben, folgerte Menges „Vom Stand des Hygienikers sind aber diejenigen in Nassau im Allgemeinen nicht günstig“. Beginnend mit den Wohnverhältnissen bemängelte Menges, die Wohnorte und Wohngebäude seien vielfach ungesund, die Schulsäle zu klein und an Reinlichkeit lasse es zu wünschen übrig. Einen Unterschied zwischen Stadt und Land gäbe es in Nassau nicht, da ¼ der Bevölkerung in der Stadt und 3/4 auf plattem Land lebe, aber durchweg der armen Mittelklasse (Handwerker, Kleinbauern und Taglöhner) angehörten. In einer sehr anschaulichen Sprache zeichnet er ein Bild der damaligen Wohnbegebenheiten ohne Kanalisation „auf dem platten Land bringt jeder Regen auch eine Ueberfluthung der Ortsstrassen durch Mistjauche, welche mit sonstigem Strassenkoth vermengt in die Wohn- und Schlafzimmer verschleppt wird und hier mit den Ausdünstungen der Menschen, der Tabakpfeife und der im Zimmer gekochten Speisen ein, dem Geruchsorgan sehr unangenehmes Connubium eingeht“. Er errechnete auf 1000 Einwohner 37 Geburten und 25,4 Sterbefälle. Noch immer beklagte er eine hohe Sterblichkeit „in der Kinderwelt ..., ohne dass epidemische Krankheiten als Ursache dieser grösseren Sterblichkeit zu beschuldigen sind ... Ueberhaupt liegen die Ursachen der grösseren Sterblichkeit der Bevölkerung mehr in den ungünstigen äusseren Lebensverhältnissen als in sogenannten epidemischen Einflüssen“.
Menges richtete seinen Blick auch auf die Kollegen und zeichnete ein wenig hoffnungsstimmendes Bild: „Es gibt wohl keinen Beruf, der die Kräfte des Körpers und des Geistes gleichzeitig so mächtig in Anspruch nimmt, als der ärztliche, keinen Stand, der so wenig ein vollständiges Ausruhen, eine wohlthuende Regelmässigkeit des äusseren und inneren Lebens gestattet, und wo körperliche Anstrengungen, Witterungseinflüsse, Störungen der nächtlichen Ruhe, Nachtwachen, unterbrochene Mahlzeiten, Gemüthsbewegungen aller Art in unausgesetztem Wechsel in ihrem schädlichen Einflusse sich so verbinden, um die Gesundheit allmählig, aber sicher, zu untergraben“. Daher riet er jungen Menschen vom Studium ab. Die Lebenserwartung eines Arztes berechnetet er (1855) mit 39 ½ Jahren und stellte sie in den Vergleich zur Bevölkerung (58 Jahre) bzw. zu bayrischen Kollegen (1852: 45 Jahre). Finkenrath ermittelte eine Lebenserwartung von 48 Jahren für die nassauische Zeit (in Preußen 56 Jahre). Die meisten Ärzte starben nach Menges an Phthise und Typhus. In den medizinischen Jahrbüchern Nassaus hält Franqué 1854 fest, „daß die Nassauischen Aerzte diese Gefahr nicht gescheut (hätten), daß sie vielmehr in 290 Epidemien, von denen wir berichten, überall mit Hingebung, Mut und Ausdauer ihre schwere Pflichten gewissenhaft erfüllt, davon legt unsere Geschichte zugleich ein vollgültiges Zeugnis ab.“ In der Zeit von 1818 bis 1854 waren 91 Ärzte gestorben, darunter 16 an Typhus und weitere 19 erkrankt. Aus diesem Grunde beurteilte Menges das nassauische Pensionsgesetz sehr sachlich nüchtern, „denn noch kein einziger Amtsarzt hat im Dienst das 70. Lebensjahr erreicht“.
Nach dem verlorenen preußisch-österreichischen Krieg und der Eingliederung Nassaus in das Königreich Preußen bestand der Verein fort. Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Ärzte änderten sich jedoch grundlegend. Sie waren fortan keine Staatsbeamte mehr, sondern frei praktizierende Ärzte und verloren somit ihre Pensionsberechtigung. „Die Notwendigkeit für die preußische Landesregierung, die Verhältnisse in den neugewonnenen Gebieten denen in den altpreußischen/ möglichst anzugleichen, zwang letzten Endes dazu, dass die Medizinalordnung von 1818 für Nassau aufgehoben wurde und an ihrer Stelle das preußische Medizinalwesen mit seiner Niederlassungsfreiheit, freien ärztlichen Tätigkeit, preußischen Gebührenordnung und dem Physikatsarzt zur Durchführung der medizinischen Polizei auch in Nassau trat. Die diesbezügl. Verfügung datiert vom 17. September 1867 und an diesem Tage endete endgültig das für die deutschen Lande durchaus eigenartige und kulturgeschichtlich bemerkenswerte Medizinalwesen im Herzogtum Nassau. Es hatte fast 50 Jahre gewährt.“
Um die Bevölkerung auch weiterhin mit der für sie aus nassauischer Zeit stammenden ärztlichen Versorgung bedienen zu können, kam es zu den nassauischen Gemeindeverträgen. Die Gemeinden schlossen mit einem Arzt einen Vertrag, der dem Arzt ein nach der Bevölkerungszahl ermitteltes und aus der Gemeindekasse zu zahlendes Fixum garantierte und den Arzt verpflichtete für seine Leistung nach festgesetzten Honorarsätzen zu berechnen. Erst mit Erstarken der ärztlichen Organisation und einem einheitlichen Vorgehen konnten Mängel dieses Systems zugunsten der Ärzte behoben werden.
Von der neuerlichen politischen Veränderung 1871 wurde der Verein nicht berührt. Allerdings ließ der einsetzende wirtschaftliche Aufschwung Wiesbaden zur Großstadt heranwachsen und die Kollegen der einstigen Hauptstadt gliederten sich durch die Gründung eines eigenen Vereins aus dem Verein der Nassauischen Ärzte aus. Dieses Entwicklung scheint sich bereits 1869 angebahnt zu haben. Im Gebiet des Altvereins gruppierten sich die nassauischen Mitglieder in zwei regionale Sektionen, deren Mittelpunkte Lorch für die südliche und Limburg für die nördliche Hälfte wurden. Das Wort Spaltung wurde tunlichst vermieden. Damals legte man den Grundstein zu einem Album, in dem sich die Mitglieder mit ihrem Porträt verewigten. Das Titelblatt malte der aus Hadamar gebürtige Zeichner, Maler und Illustrator Leonhard Diefenbach (10.4.1814 - 13.8.1875), der nach einer Auftragsarbeit über die sog. Griechische Kapelle in Wiesbaden, der Grablege der ersten Gattin Herzog Adolphs, der russischen Großfürstin Elisabeth Michajlowna, zahlreiche Arbeiten für den Hof- und Landadel anfertigte. Daneben war er Zeichenlehrer am Gymnasium in Hadamar.
Dem Zeitgeist entsprechend traf man sich regelmäßig zum „Lorscher Kränzchen“ bzw. zum „Limburger Kränzchen“. Letzteres prägte 18 Jahre lang Doktor Schauß aus Runkel. Er schwang „ein sanftes Szepter in Gestalt eines zu einer behaglichen Berühmtheit gewordenen Kaffeelöffels, mit dem er an die Tasse zu klopfen pflegte, um die Unterhaltung in die Bahnen der parlamentarischen Ordnung zurückzuführen“. Mögen diese Treffen den Eindruck eines gemütlichen Beisammenseins suggerieren, so wurde doch auch ernsthaften standesbezogenen Themata nachgegangen.
Zweimal im Jahr wurde eine Generalversammlung abgehalten. Die Frühjahrsversammlung an wechselnden Orten war mehr dem geselligen Beisammensein vorbehalten, während die Herbstversammlung im „Preußischen Hof“ zu Limburg Stellung zu Standesfragen bezog. „Der alte Geisse“, so wird überliefert, soll sorgfältig darauf geachtet haben, dass keine allzu langen Aussprachen nach Vorträgen die kostbare Zeit für das anschließende Essen verkürzte. Mit einem kurzen Dankeswort an den Redner schloss er meist die Versammlung, klatschte in die Hände und rief „Meine Herren zu Tisch!“ , für ihn der eigentliche Höhepunkt der Versammlung.
Die Besucherzahl schwankte zwischen 24 und 35 bei einer Mitgliederzahl von 100. Heute (2001) zählt der Verein 215 Mitglieder. Das 50jährige Stiftungsfest feierten 57 Mitglieder.
Mit der Jahrhundertwende wirkte sich der Anstieg der Medizinstudenten aus, die in den neunziger Jahren ihr Studium begonnen hatten. Diese erste „Ärzteschwemme“ wurde von den Krankenkassen ausgenutzt um ärztliche Behandlungskosten so billig wie möglich zu halten. Der Deutsche Ärztetag hatte 1898 bezüglich der Zulassung von Frauen zum Medizinstudium eine Stellungnahme abgegeben, die wenig schmeichelhaft ausfiel. Hierin heißt es u.a. Wenn ein größerer Zudrang von Frauen zum Medizinstudium erfolgen sollte, so werde „1. kein erheblicher Nutzen für die Kranken, 2. Mehr Schaden als Nutzen für die Frauen selbst, 3. Mindestens kein Nutzen für die deutschen Hochschulen und Wissenschaft, 4. Eine Minderung des ärztlichen Ansehens, 4. Keine Förderung des allgemeinen Wohles zu erwarten sein. Aus diesen Gründen sei es nicht zweckmäßig, gerade mit der Medizin den ersten Versuch einer Zulassung der Frauen zu den gelehrten Berufsarten zu machen“.
Heute verzeichnet der Verein Nassauischer Ärzte 28 Medizinerinnen, deren Kompetenz unbestritten ist.
Die für das 19. Jahrhundert charakteristisch gewordenen Schlagwörter im medizinischen Bereich: Hygiene, Bakteriologie und sozialmedizinische Neuorientierung der öffentlichen Gesundheitspflege seien hier nochmals in Erinnerung gerufen. Auch wenn aus der nassauischen Ärzteschaft kein Max von Pettenkofer, kein Louis Pasteur und kein Robert Koch hervorgegangen sind, so zielten auch die Beobachtungen nassauischer Ärzte in die gleiche Richtung. Am Ende dieses Prozesses standen das Reichsimpfgesetz (April 1874), das Nahrungsmittelgesetz (14.5.1879) und das Reichsseuchengesetz (30.6.1900).
Auch die Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahre 1883 darf nicht unerwähnt bleiben, wenngleich diese für das ländlich strukturierte Nassauer Land zunächst noch von geringer Auswirkung war anders als in den deutschen Gebieten, in denen die Industrie dominierte. Dennoch wurde immer wieder - letztlich bis auf den heutigen Tag - die Honorarfrage thematisiert. In dem Wissen, dass nur eine straffe Organisation der Ärzte vor der Willkür der Kassenleistung und der Zersplitterung der Ärzteschaft Schutz bieten könnte, rief Hermann Hartmann im Jahr 1900 auf, sich im „Verband der Ärzte Deutschlands zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen“ zusammenzuschließen. Im Abschluss von Verträgen bewährte sich der Verein. Die Amtsperiode des Vorsitzenden Dr. Eduard Poensgen, seit 2. Dezember 1885 leitender Arzt des 1856 gegründeten Krankenhauses in Nassau, deckt sich mit dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, das ganz im Zeichen ständiger Kommissionen zur Klärung standespolitischer und wirtschaftlicher Fragen stand.
1904 kam es zu einer personell bedeutsamen Umbildung des bisherigen Vorstandes. Anthes aus Nassau, seit 1899 Vereinsmitglied übernahm die Aufgabe des Schriftführers und führte eine erfolgreich Mitgliederwerbung durch und Fluck aus Camberg übernahm die Funktion des Kassenführers. Beide sollten den Verein nachhaltig und lange prägen. Der ursprüngliche Gründungsgedanke, Ideenaustausch, Mittheilungen von Beobachtungen und Erfahrungen und des Wissenswerthesten in der Heilkunde, erfuhr eine Renaissance. So gehörte der wissenschaftliche Vortrag fortan zu jeder Generalversammlung.
Heute bietet der „Verein Nassauischer Ärzte“ regelmäßige Fortbildungsmaßnahmen an. Das Themenspektrum zeigt die Spannbreite des inzwischen in viele Fachbereiche aufgegliederten medizinischen Arbeitsfeldes und lässt die Entwicklung in der Heilkunde erkennen, die ihre Kollegen vor über 150 Jahren wohl kaum für möglich gehalten hätten.
Als Poensgen 1909 verzog, wurde Dr. Gisbert Fluck aus Camberg zum Nachfolger gewählt. Er führte den Verein mit straffer Hand, erweiterte ihn um die Mitgliedschaft von 15 Ärzten aus dem Kreis Wetzlar und durchbrach damit die nassauischen Grenzen. Seine ausgedehnte Allgemeinpraxis und die Leitung der chirurgischen Abteilung am Lieber’schen Krankenhaus ließen ihm allerdings nur wenig Zeit für die Vereinsarbeit. Sie wurde oftmals eine Viertelstunde vor der Generalversammlung „zwischen Tür und Angel“ erledigt. Aber dank seiner raschen Auffassungsgabe und knappen Formulierungen, aber auch dank der guten Vorarbeit seines Schriftführers, was er freimütig eingestand, wurde er zum „zweiten Gründer“ des Vereins. Eine schwere Herz- und Niereninsuffizienz schränkte sein Wirken schon bald ein. Er starb am 21. März 1914.
Bereits während Flucks Krankheit hatte Klein aus Idstein als zweiter Vorsitzender die Vereinsgeschäfte geführt und wurde nach dessen Tod zum ersten Vorsitzenden gewählt. Zu den während des 1. Weltkrieges im Feld stehenden Ärzten gehörte auch Sanitätsarzt Friedrich Klein. Für ihn führte Hartmann aus Villmar, der im Lazarett in Limburg Dienst tat, die Vereinsgeschäfte notdürftig weiter. Die meisten Mitglieder waren zum Militär eingezogen und die Zurückgebliebenen von Arbeit überlastet. Die Hauptsorge galt dem Erhalt der verwaisten Praxen. Nach Kriegsende wurde das Vereinsleben durch die Teilung des Vereinsgebietes erschwert. Durch die Brückenköpfe der Siegermächte in Mainz und Koblenz waren Rheingau, St. Goarshausen, Unterwesterwald, Unterlahn und Untertaunus abgeschnitten worden.
Es ist das Verdienst Kleins, die Trennung zwischen Standesverein und wirtschaftlicher Organisation eingeleitet und durchgezogen zu haben. Auf ihn geht der Zusammenschluss der sich seit 1912 gebildeten kassenärztlichen Vereine im „Unterverband Nassau der kassenärztlichen Vereinigung“ zurück. Er entwarf die Satzung und sicherte durch die Bestimmung, dass der Vorsitzende des Vereins Nassauischer Ärzte selbständiges Mitglied in der „Vertreterversammlung des Unterverbandes Nassau“ sein sollte einen bleibenden Einfluss.
Die übertriebene Korrektheit und eine gewisse Starrköpfigkeit des Vorsitzenden Kleins, der dazu durch eine in einem ungarischen Lazarett zugezogene Infektion gesundheitlich geschwächt war, erwiesen sich jedoch für den Verein Nassauischer Ärzte schließlich eher als hinderlich. So kam es denn im Herbst 1922 zu seiner Abwahl.
Im Zeichen des wirtschaftlichen Aufschwungs der „Goldenen Zwanziger“ blühte auch das Vereinsleben unter Eugen Anthes auf, besonders das gesellige Beisammensein. Man traf sich zu Tafel- und Tanzvergnügen, verfasste Bierzeitungen, führte kleinere Theaterstücke (u.a. „Die Doktorsfrau“) auf und die Damen pflegten eigene Zusammenkünfte. Den Höhepunkt bildeten die Jahre zwischen 1926, dem Jahr des 75jährigen Gründungsfestes, und 1933, als man 217 Mitglieder zählte. Die Mitgliedschaft war freiwillig, „aber sie war für die Ärzte des Vereinsgebietes fast selbstverständlich, so dass einer, der draußen blieb, schon von Hause aus als verdächtig angesehen wurde“. Der Verein Nassauischer Ärzte war zu diesem Zeitpunkt der weitaus größte Landärzteverein in Deutschland und bot als einziger seinen Mitgliedern eine monatliche Weiterbildung an. Erste Versuche wurden gewagt, wissenschaftliche Vorträge durch Filmdarstellungen zu veranschaulichen, die im Kino des Walderdorffer Hofes in Limburg vorgeführt wurden. Neu in die Diskussion geworfen wurden die Regelung der Facharztfrage und einer neuen Reichsärzteordnung.
Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme kam auch für den Verein der Nassauischen Ärzte die „Gleichschaltung“. Dem seit 1922 amtierenden Vorsitzenden Eugen Anthes aus Nassau wurde Seil aus Diez als „Kommissar für ärztliche Angelegenheiten“ mit anscheinend unbegrenzten Möglichkeiten, wenn auch offiziell nur als zweiter Vorsitzender, vorgeschaltet. Allerdings erfuhr der am 6. April 1933 gewählte und der Partei genehme Vorstand eine zunehmende Schrumpfung. Seil erschien immer seltener zu den Versammlungen, da diese mit seiner Sprechstunde kollidierten, Schriftführer Haeger aus Limburg, der zunächst sehr rührig war, zog sich nach seiner Enthebung von der Tuberkuloseberatungsstelle in den Ruhestand zurück, und Fischer aus Rüdesheim konnte wegen der Entfernung und der später einsetzenden Reisebeschränkung nur selten nach Limburg kommen. So kam es, dass Anthes, der diese Jahre in der Chronik des Vereins 1951 anschaulich geschildert hat, letztlich allein den Verein leitete.
Es kann dennoch nicht geleugnet werden, dass die Vereinstätigkeit behindert wurde. Ihren Widerstand gegen den neuen Zeitgeist verhehlten Hartmann aus Villmar und Tenbaum aus Limburg nicht. Fünf jüdische der 217 Vereinsmitglieder blieben künftig den Versammlungen fern und bereits im Herbst 1933 wurden ohne Namensnennung fünf Austritte vermeldet. Diejenigen Mitglieder, welcher der NSDAP angehörten, dokumentierten dies durch das Tragen der Uniform der SA, der SS oder der politischen Leiter, doch konnte sie der Vorstand zum Verzicht bewegen. „Um dem sozialen Charakter der neuen Zeit gerecht zu werden, sollte auf das gemeinsame festliche Essen verzichtet werden“, Fragen der Erbgesundheit wurden vorrangig behandelt. Mit Mühe hielt man die wissenschaftlichen Vorträge aufrecht, um die auch den Verein ergriffene politische Spaltung zu überbrücken. Schließlich brachte der Ausbruch des 2. Weltkrieges mit seinen Auswirkungen (Heeresdienst, Einschränkung des Benzins und des Reiseverkehrs) das Vereinsleben gänzlich zum Erliegen. Anthes setzte sich mit seiner Ansicht durch, die Vereinsarbeit ruhen zu lassen, als mit ein paar wenigen notdürftig Versammlungen abzuhalten.
Nach Kriegsende stand man vor der gleichen Situation wie 1918. Wieder waren die Vereinsmitglieder der französisch besetzten Zone, deren Grenze zwischen Diez und Limburg verlief, abgetrennt. In der amerikanisch besetzten Zone, dem neuen Bundesland Hessen, konnte Hartmann bereits 1948 einen Ärzteverein ins Leben rufen, der sich auf die Kreise Limburg, Oberlahn und Usingen beschränkte. Der Rheingau war bereits 1944 Wiesbaden angegliedert worden, dem der Untertaunuskreis 1945 folgte. Die Kreise St. Goarshausen, Unterlahn, Unter- und Oberwesterwald kamen als Regierungsbezirk Montabaur zum neu gegründeten Bundesland Rheinland - Pfalz.
Am 2. Juli 1948 bejahten 70 Teilnehmer die Frage, ob der alte Verein der Nassauischen Ärzte wieder aufleben sollte einstimmig. Am 18. Juni 1949 billigte die Versammlung die neue Satzung und wählte Jakob Villmar in geheimer Abstimmung zum Vorsitzenden. Man nannte sich „Verein der Ärzte in den Kreisen Limburg, Oberlahn und Usingen“, fügte in Klammern hinzu „Verein Nassauischer Ärzte“ und zählte 171 Mitglieder. Am 24. November 1950 erfolgte die Eintragung ins Vereinsregister, jedoch unter Wegfall der Klammer. Erst seit 1954 führt der Verein seinen ursprüngliche Bezeichnung wieder.
Schnell kehrte man zu den gewohnten Treffen zurück, die vom ersten Donnerstag im Monat auf den Samstag rückten, aber an gewohntem Ort, dem „Preußischen Hof“, der sich nun „Dom-Hotel“ nannte, abgehalten wurden.
Unter den Vorsitzenden Eduard Tenbaum (22.5.1898 Biedernkopf - 25.12.1983 Limburg)
verheiratet seit 4.7.1927, 5 Kinder
und Walter Heep (13.6.1911 Langendernbach - 14.5.1992 Limburg), beide Chefärzte am St. Vincenz - Krankenhaus in Limburg, der eine als Internist, der andere als Röntgenologe, wurden Kontakte zu den Universitäten geknüpft und der Verein wurde kooperatives Mitglied der Giessener Hochschulgesellschaft. Der wissenschaftlichen Austausch blühte ebenso auf wie das gesellige Leben untereinander.
Im Rahmen des 125jährige Jubiläums unter dem Vorsitzenden Karl - Heinz Böhler (1962 - 1978) erhielt dieser für seine Verdienste um die ärztliche Fortbildung die Ernst von Bergmann-Plakette. In den sechziger und siebziger Jahren veranstaltete man noch eine große Anzahl von gemeinsamen Bällen, doch ließ das Interesse allmählich nach. Auch der Versuch, sich mit den katholischen Akademikerverbänden zusammen zu tun, konnte das zunehmende Desinteresse nicht beheben. 1979 wurde die Vereinssatzung neu formuliert und von der Mitgliedersammlung am 6. Februar 1980 beschlossen.
Als Dr. Böhler1978 aus gesundheitlichen Gründen sein Amt aufgab, folgte ihm der bisherige Kassenführer Dr. Wolfgang Becker (1978 - 1997), Internist in Limburg, als Nachfolger. Während seiner Amtszeit wurde erstmals eine Ärztin in den Vorstand gewählt, zunächst Frau Dr. Gutjahr vom Sozialärztlichen Dienst in Limburg, später die Hals-Nasen-Ohrenärztin Dr. Karin Weiß (seit 1993). Sie gehört dem Vorstand noch heute an. Ein weiterer Besitzer soll laut Satzung aus Rhein-Lahn oder dem Westerwaldkreis kommen. Diesen vertritt Dr. Mischa van Bergh aus Diez (seit 1989).
In den achtziger und neunziger Jahren waren die Chefärzte des St. Vincenz - Krankenhauses vermehrt in die Fortbildungsarbeit des Vereins eingebunden. Im Rahmen von Vereinsveranstaltungen hielten sie vor einem überregionalen Kreis wissenschaftliche Vorträge über neuere Forschungsergebnisse und Techniken. Prof. Dr. Joachim Girndt gehört dem Vorstand seit 1989 an, seit 1997 als zweiter Vorsitzender. Die im Sinne der Gründerväter angebotenen Fortbildungsangebote des Vereins Nassauischer Ärzte, der ersten nicht-klinischen Institution in Hessen, werden nicht nur für die niedergelassenen Ärzte von der Landesärztekammer anerkannt, sondern auch für die Ärzte im Praktikum als Pflichtweiterbildung.
Unter dem ersten Vorsitzenden Dr. Egbert Reichwein (seit 1997), Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie und Sportmedizin in Villmar, rückten aktuelle Fragen wie die zunehmende Technisierung des Berufes, Fortbildung und Ausbildung medizinischer Assistenzberufe, Probleme der Gastarbeiter, Laborarbeit, Pflegeversicherung und Abrechnungsfragen in den Blickpunkt der Vereinsarbeit.
Das traditionell gute Verhältnis zur Bezirksstelle Limburg der Kassenärztlichen Vereinigung in Hessen besteht seit der Errichtung und dem Bezug des Ärztehauses in der Adelheidstraße 7 in Limburg. Hier hatte der Verein eine Heimstatt gefunden, wo er seine Fortbildungsangebote bis zum Frühjahr 2010 anbieten konnte. Seit der Auflösung der Limburger KV-Stelle finden die Versammlungen und Fortbildungen in den Räumen der Adolf-Reichwein-Schule in Limburg statt.
Der Verein kann über 150 Jahre nach seiner Gründung auf eine ansehnliche Bilanz zurückblicken und stolz sein auf den Anteil, den seine Mitglieder zum medizinischen Wohlstand der nassauischen Bevölkerung beigetragen haben.
Vorsitzende des Vereins Nassauischer Ärzte
Hofrat Dr. Hermann Vogler, Diez (im provorischen Vorstand)
ab 1.12.1851 offiziell im Amt
In den Anfangsjahren wurde der Verein durch häufig (oft jährlich) wechselnde Vorsitzende in seiner Leitung stark behindert. 1875 lösten sich die Wiesbadener Ärzte aus dem Verein Nassauischer Ärzte.
Dem verbliebenen Verein Nassauischer Ärzte standen nun Vorsitzende mit langjährigen Amtszeiten vor:
Vorname Geisse, Badearzt in Bad Ems, 1875 - † Februar 1901
Eduard Poensgen, Leiter des Sanatoriums für Nervenkranke in Nassau,
1901 - Herbst 1909
Gisbert Fluck, Camberg, Allgemeinpraxis und chirurgische Leitung des
Lieber‘schen Krankenhauses 1909 - † 21.3.1914
Friedrich Klein, Idstein (März) 1914 - 1922
Eugen Anthes, Nassau (Herbst) 1922 - 1948
seit 1933 gemeinsam mit dem „Kommissar für die ärztlichen
Angelegenheiten“, Seil aus Diez
Jakob Hartmann, Villmar, Allgemeinarzt 18.6.194 - 1957
Eduard Tenbaum, Limburg, Internist und Chefarzt am St. Vincenzhospital in Limburg nach 1957 - 1961
Walter Heep, Limburg, Röntgenologe und Chefarzt am St. Vincenzhospital in Limburg 1961 - 1962
Karl- Heinz Böhler, Limburg - Staffel, Allgemeinarzt 1962-- 1978
Wolfgang Becker, Limburg - Dietkirchen, Internist 1978 - 1997
Egbert Reichwein, Villmar, Allgemeinarzt 1997- 2013
PD Dr. med. Udo Heuschen, Chirurg und Chefarzt am St. Vincenz-KH in Limburg seit 2013
Ehrenmitglieder des Vereins Nassauischer Ärzte
Anlässlich seines fünfzigjährigen Jubiläums 1901 wurden erstmals Ehrenmitglieder ernannt:
1901 Hofrat Frickhöffer, Schwalbach
1901 Sanitätsrat Wuth, Ems
1912 Poensgen
1922 Klein, Ehrenvorsitzender
während der NS-Zeit:
Mencke, Weilburg, Ehrenmitglied
Oberstadt, Schwalbach, Ehrenmitglied
Schaus, Weilburg, Ehrenmitglied
Petschull, Diez, Ehrenmitglied
1949 Dr. Eugen Anthes
1976 Dr. Walter Heep
1978 Dr. Karl-Heinz Böhler, Ehrenvorsitzender
1997 Dr. Wolfgang Becker, Ehrenvorsitzender
2013 Dr. Egbert Reichwein
Diesen Brauch greift der Verein 2001 zu seinem 150jährigen Jubiläum wieder auf und ernennt für ihre 50jährige Mitgliedschaft zu Ehrenmitgliedern:
Dr. Karl - Heinz Böhler, früher Limbugr-Staffel, jetzt Falkensee
Dr. Franz Feix, Limburg
Dr. Heinz Haas, Limburg
Dr. Franz Korda, Usingen
Dr. Gerhard Lachawietz, Limburg
Dr. Thekla Lachwitz, Weilburg
Dr. Josef Pannenbecker, Bad Camberg
Dr. Victor Pogorzelski, Hünfelden
Dr. Alfred Stähler, Brechen
Dr. Martin Streit, Weilburg
In memoriam
Dr. Friedel Hannappel, Hadamar, die im Jubiläumsjahr 2001 verstarb